Rundbrief von Leonhard Kuckart

Sehr geehrte Damen und Herren,
 
zur Eröffnung des Bundesparteitages der CDU Deutschlands im Jahre 2014 fand ein ökumenischer Gottesdienst im Kölner Dom statt. Im Verlauf dieses Gottesdienstes haben Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki und der Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, kurze Ansprachen gehalten. Manfred Rekowski hat seine Ansprache mit folgenden Sätzen beendet: „Meine Damen und Herren, Sie sind Vertreter der CDU und Ihre Partei trägt im Namen das “C“ für christlich. Ich gehe deshalb davon aus, dass Sie Ihre Politik an christlichen Wertvorstellungen messen und ausrichten. Aus diesem Grunde möchte ich Ihnen sagen, der ältere Mensch, der in Windeln gewickelt im Bett eines Pflegeheimes liegt, hat denselben Wert und dieselbe Würde, wie das Baby, dass in Windeln gewickelt im Bett eines Kinderzimmers liegt.“
Aber wie sieht denn die Wirklichkeit tatsächlich aus? Im Rahmen der Krimi-Serie „Verdacht“, die im ZDF läuft, lief am 9. Mai dieses Jahres ein Beitrag unter der Überschrift „Grauzone“. Hauptdarstellerin war Senta Berger. In dieser Sendung wurden kriminelle Machenschaften in einem Altersheim aufgezeigt, die auf wahren Begebenheiten beruhten. Auf die Frage eines Journalisten, wie das denn möglich sei, antwortete Senta Berger: „Alte Menschen haben keine Lobby.“
 
Vor einiger Zeit bekam ich ein Gespräch mit, das zwischen zwei Männern geführt wurde. Sie unterhielten sich über ihren beruflichen Werdegang. Einer der beiden schilderte, dass er aus der ehemaligen DDR stamme und nach der Wiedervereinigung versucht hatte, als Fallschirmjäger tätig zu werden. Diese Möglichkeit ist ihm aber versagt geblieben, weil er dazu nicht die notwendigen körperlichen Voraussetzungen hatte. Er hat sich dann später als gelernter Schlosser auf die Position eines Hausmeisters in einem Altersheim beworben. Bei dem Vorstellungsgespräch wurde ihm gesagt, dass diese Stelle erst in sechs Monaten besetzt werden könne, aber man würde es sehr begrüßen, wenn er in der Zwischenzeit auf der Pflegestation des Altersheimes arbeiten würde. Auf seinen Einwand hin, er habe überhaupt keine Ahnung davon, antwortete ihm der Leiter des Altersheimes: „Das sind die besten Voraussetzungen.“
 
Ich habe diese beiden Beispiele deshalb geschildert, um Sie zu bitten, sich zukünftig noch stärker als bislang politisch für die Interessen älterer Menschen einzusetzen. Das ist unser satzungsgemäßer Auftrag als Senioren-Union. Und nur dann haben wir auf Dauer auch eine Existenzberechtigung als politische Interessenvertretung für die ältere Generation. Es geht dabei nicht nur um die Situationen in Alters- und Pflegeheimen, sondern es geht grundsätzlich um die Situation älterer Menschen im Alltag und ihren Stellenwert in unserer Gesellschaft. Um die Interessen älterer Menschen noch stärker nach vorne zu bringen, haben wir nach langen Beratungen im Landesvorstand der Senioren-Union NRW zwei Entscheidungen getroffen. Ich bitte Sie, diese beiden Entscheidungen mitzutragen und was den kommunalen Bereich angeht, selbst aktiv zu werden.
Wir werden also im kommenden Jahr zwei Forderungen in den Vordergrund stellen:
 
1) „Seniorenämter für alle Kommunen“ und
 
2) „Rechtsanspruch auf einen Seniorentagespflegeplatz“.
 
Seit vielen Jahrzehnten gibt es Jugendämter in unseren Kommunen, und zwar aus gutem Grund. Diese Jugendämter dienen dazu, jungen Menschen und Familien zu helfen, wenn sie Rat und Hilfe brauchen. Darüber hinaus haben Jugendämter die Aufgabe, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl zu schützen. Aber: Unsere Gesellschaft verändert sich rasant. Der Anteil älterer Menschen ist immer größer geworden und wird auch künftig weiter wachsen, die Lebenserwartung steigt von Jahr zu Jahr. Deshalb liegt es auf der Hand, dass ältere Menschen in hohem Alter, auch wenn die meisten von ihnen gesünder älter werden als noch vor 25 Jahren – nicht mehr alles können und Hilfe benötigen, Hilfe aus einer Hand am besten. Das neu zu organisieren, sollten sich die Kommunen und Stadträte auf die Fahne schreiben, denn die Einrichtung von Seniorenämtern ist überfällig und entspricht der demographischen Entwicklung. Aus Sicht der SU NRW ist es die Pflicht der Kommunen, Dienstleistungsangebote und Hilfen für Ältere in einem Amt, einem Seniorenamt, zu bündeln.
 
Darüber hinaus sollten wir aber auch ein weiteres Thema aufgreifen. Das ist „Leben und Wohnen im Alter“. Es ist der Wunsch von über 90 Prozent der älteren Menschen, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben zu können. Es ist deshalb auch eine kommunale Aufgabe, alles zu tun, dass diesem berechtigten Wunsch älterer Bürger entsprochen werden kann. Bisher sind die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen auf die zunehmende Alterung der Gesellschaft nicht oder nicht ausreichend vorbereitet. Wir brauchen dringend viel mehr an barrierefreien Wohnungen und bezahlbaren Wohnungen und Nebenkosten in einer Höhe, die von Rentnern auch getragen werden können. Wir brauchen darüber hinaus vor Ort ein Dienstleistungsangebot, dass insbesondere die Bereiche, Nahversorgung / Lebensmittelversorgung und medizinische Versorgung abdeckt sowie Dienstleistungen von Banken und der Post beinhaltet.
 
Ferner muss versucht werden, den älteren Menschen ausreichend Mobilität durch ein entsprechendes Angebot an öffentlichem Nahverkehr zu ermöglichen, gegebenenfalls durch Seniorentaxen.
 
Nach meiner Meinung wäre es auch eine lohnende Aufgabe der örtlichen CDU- Ratsfraktionen, diese Themen aufzugreifen und zu besetzen. Gerade die CDU ist darauf angewiesen, eine breite Zustimmung älterer Menschen bei den Wahlen zu erhalten. Durch eine konstruktive Politik im Interesse älterer Menschen wäre das zweifelsohne möglich.
 
Unsere zweite Kernforderung ist der Rechtsanspruch auf einen Seniorentagespflegeplatz, genannt Seta, analog zu einem Rechtsanspruch auf einen Kindertagesplatz für Unterdreijährige(Kitaplatz / U3-Platz).
 
Seniorentagespflegeplätze ermöglichen es, soziale Kontakte zu erhalten; nichts ist schlimmer als Vereinsamung. Ein Rechtsanspruch auf einen Seniorentagespflegeplatz würde beste Voraussetzungen dafür schaffen, dass ältere Menschen möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben können und dass sie ihre Heimat nicht verlieren.
 
Mit freundlichem Gruß
 
Ihr
Leonhard Kuckart