Funktionsträgerkonferenz der Senioren-Union NRW mit Karl-Josef Laumann
Zweifellos gibt es neben Jens Spahn mit Karl-Josef Laumann nur einen weiteren Gesundheitsminister, der über diese bundesweite Medienpräsenz und fachliche Anerkennung verfügt. Mit seinen beruhigenden Auftritten und abgewogenen Lagebewertungen ist Laumann ein Fels in der tosenden Corona-Brandung. Zugutekommt ihm seine gesammelte Erfahrung als NRW-Landesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales (2005-10 und ab 2017), als Staatsekretär im Bundesministerium für Gesundheit (2015-17) und als langjähriger Sozialpolitiker im Deutschen Bundestag. So erklärt sich, dass es ein starkes Interesse an seinen Vorschlägen zum Kampf gegen die Pandemie gibt. Entsprechend groß war der Teilnehmerkreis der Funktionsträgerkonferenz der Senioren Union NRW, die am 7. April erstmals im Zoom-Format tagte und Laumann zum Vortrag eingeladen hatte.
Ein Drittel der Beatmungspatienten stirbt
Nach Begrüßung durch den Landesvorsitzenden Helge Benda gab der Minister zunächst einen tagesaktuellen Überblick und ließ keinen Zweifel daran, dass man „sich mitten in der dritten Welle“ befinde. Der Inzidenzwert betrug gerade im Landesdurchschnitt 110, in Krankenhäusern befanden sich 3 450 Corona-Patienten, davon 620 in Beatmung. Mit Blick auf diese schweren Krankheitsverläufe unterstrich Laumann, dass etwa ein Drittel der beatmeten Patienten verstirbt. Zugleich warnte er nachdrücklich vor den neuen viel ansteckenderen Virusmutationen, von denen zunehmend Jüngere betroffen sind. Während man zu Pandemiebeginn noch mit 15-Minuten Kontaktzeit rechnete, um sich anzustecken, könne dies heute schon nach wenigen Minuten geschehen. Mit Blick auf diese neuen Gefahren zeigte sich der Minister erleichtert, dass inzwischen die Bewohner von Altenheimen „nahezu durchgeimpft sind“. Noch vor kurzem hätte jeder zweite Corona-Tote eine Adresse im Altenheim gehabt. Er erwarte, dass man jetzt auch beim Impfen „auf die Zielgerade kommt“. Bald könnten pro Woche 450.000 Menschen geimpft werden. Am Tag von Laumanns Auftritt bei der SU-Funktionsträgerkonferenz hatte die Impfkampagne erstmal den Jahrgang der 79-jährigen erreicht. Auch die Hausarztpraxen konnten gerade mit dem Impfen beginnen.
Krankenhäuser nicht überlasten
Laumann erwartet, dass ab Mai wesentlich mehr Impfstoff zur Verfügung steht. Auch die Ankündigung der Bundeskanzlerin, dass bis zum 21. September jeder eine Impftermin habe, ist nach seiner Kenntnis durchaus realistisch. Dennoch sei man „noch nicht über’m Berg“, vor allem gelte es die Pandemie so zu steuern, dass die Krankenhäuser nicht wieder überlastet werden. Nachdrücklich lobte der Minister die wissenschaftliche Leistung, in so kurzer Zeit einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln und zu produzieren. Die schnellen Forschungsergebnisse seien ausgesprochen sensationell gewesen. Doch es blieb nicht nur bei lobenden Worten, in der anschließenden Diskussion wurden auch kritische Stimmen laut. Vor allem der anfängliche „Horror bei den Terminvorgaben“ wurde beklagt. Dass das Personal-Management der Kassenärztlichen Vereinigungen unzureichend war, räumte auch Laumann ein. Man bemühe sich aber, die Personalbestände zügig aufzustocken. NRW-weit gab es bei der Terminvergabe offensichtlich erhebliche Unterschiede, denn es meldeten sich auch Teilnehmer zu Wort, die bereits zum zweiten Mal problemlos geimpft waren. Moniert wurde dagegen der zu bürokratische Ablauf („Was soll der Papierkram?“) in den Impfzentren, ein Urteil, das auch aus Arztpraxen zu hören ist.
Astra ist ein guter Impfstoff
Zahlreiche Fragen wurden u.a. zum Thema „Schnelltest“ gestellt. Auch die sehr unterschiedlichen Kosten eines PCR-Tests (mal 49,- mal 89,- Euro) wurden kritisch hinterfragt. Laumann erwartet, dass die Preise bald sinken. Immerhin gebe es jetzt in NRW über 6 300 Testzentren. Das dauernde Hin und Her über die Wirksamkeit des AstraZeneca-Vakzins war zwangsläufig Anlass zu Fragen an den Minister. Seine klare Ansage dazu: „Astra ist ein guter Impfstoff!“ Im Übrigen habe er volles Vertrauen in das Testat der Europäischen Arzneimittel Agentur (EMA). „Das ist die beste Prüfbehörde weltweit“, versicherte Laumann. Besonders besorgt äußerten sich mehrere Teilnehmer darüber, dass die Pandemiebekämpfung immer mehr unter die Räder des Wahlkampfes gerate. Beipflichtend meinte Laumann, je näher der Wahltermin rücke, umso unterschiedlicher entwickelten sich die Corona-Regeln in den einzelnen Bundesländern. Die sei eine höchst gefährliche Entwicklung.
Orientierung im Corona-Stimmengewirr
So wurden in fast zwei Stunden eine Fülle von Themen angesprochen, wenngleich erwartungsgemäß nicht alle Aspekte umfassend ausdiskutiert werden konnten. Auch die am Vortag von Ministerpräsident Armin Laschet erhobene Forderung nach einem „Brücken-Lockdown“ spielte noch kaum eine Rolle. Das Thema sollte erst nach dieser Aussprache richtig Fahrt aufnehmen. Dennoch war der Zeitpunkt, den Gesundheitsminister zur Funktionsträgerkonferenz einzuladen, ausgesprochen gut gewählt. Denn die Corona-Debatte begann gerade, aus dem Ruder zu laufen. Die letzte Ministerpräsidentenrunde hatte mehr Chaos als Ordnung hinterlassen. Angesichts steigender Fallzahlen war überall heftiges Nervenflackern spürbar. Und die Worte von Angela Merkel im Talk mit Anne Will über eine Notbremse per Bundesgesetz wurden als letzte Mahnung verstanden. Da verhalf ein Dialog mit Karl-Josef Laumann zu einem erhofften Kompass im großen Stimmengewirr. Mit seiner authentisch-bodenständigen Art hat der „gelernte Münsterländer“ gewiss ein paar Follower hinzugewonnen.
Fazit von Helge Benda: „Das war ein ausgesprochen konstruktiver Auftritt unseres Gesundheitsministers, erkenntnisreich für uns alle. Wir danken Karl-Josef Laumann, dass er bereits zum zweiten Mal Gast auf einer Funktionsträgerkonferenz war – und das bei einem extrem prall gefüllten Terminkalender. Die Reaktionen der Basis dürften für ihn in gleicher Weise hilfreich gewesen sein. Unser Dank gilt Mechthild Solberg, die diese Tagung technisch vorbereitet und uns mit praktischen Hinweisen versorgt hat. “